Wirklich subjektive Fotografie ist immer ein Risiko...
Zur Arbeit des Fotografen Joachim Richau
Auszüge aus dem Katalogtext zur Ausstellung
in der Kunsthalle Wilhelmshaven, 1990.

Sehen kann man lernen; die Intuition für gute Bilder muß man haben. Manchmal geht es nicht ohne die ganze, die existentielle Erfahrung. (...) In Bilder bannen, was einen sonst zerreißen würde. Das nimmt man sich nicht vor, das wächst einem zu. Wer mit der Kamera abarbeiten kann, wofür die Worte fehlen, zählt wohl zu den Bevorzugten; unter Umständen bleiben ihm geistige Verkrümmung oder kopflose Flucht in Ersatzwelten erspart. Nicht erspart bleiben ihm jedoch Anstrengungen und vielerlei innerer Schmerz. (...).

Vom quälenden Gleichmaß der scheinbar verewigten Zustände hat Richau verhalten erzählt, in Bildern, die vor unguten Spannungen zu vibrieren scheinen. Als die eigene Biographie aus den Angeln gehoben wurde, haben sich einige seiner Beobachtungen jedoch zu Sinnbildern verdichtet. Ein sensibles Individuum durchlebt die dramatische Zuspitzung und wie in einem Brennspiegel zieht emotionale Intensität die künstlerischen Mittel zusammen, bringt sie auf den Punkt, der zum Ausrufezeichen wird. So entstehen symbolträchtige Zeichen für ein Leben, für eine Zeit. (...) Es sind sinnlich immer wieder neu aufschließbare Mitteilungen von sonst unrettbar verlorengehenden Bewußtseinszuständen.

Hartnäckig bestreitet der Fotograf seine Chronistenrolle: er verarbeite nicht Schlagzeilen, sondern eigenen Lebensstoff. Doch seine Bilder zurren ihn in den Zeitläuften fest. Vielleicht wird eines Tages diese Resignation vergessen sein, das wirklich Traumatische jener Lebens-Zeit, in der diese Fotografien entstanden. Dann ist es gut, Bilder wie die von Joachim Richau zu haben. In ihnen wird nicht so sehr beschrieben, wie es war. Vielmehr sind sie selbst der Beweis dafür, daß es so war.

(Und daß die Sehnsucht bleibt...)

Wolfgang Kil, August 1990